Anmerkungen zum Dorfnamen "Leitmar"

von Wilhelm Kupitz

Zur Zeit sind zwei Namenserklärungen bekannt. So berichtete Friedrich Heithorst (gest. 4.8.1984), ein belesener und aufgeschlossener Leitmarer, dass in seiner Schulzeit der Name mit der Erstsilbe "Leid" oder „Not" erklärt wurde mit dem Verweis auf die nahen Feuchtwiesen in den Flurbereichen Teufelspfad und Huxol. Somit würde der Dorfname Leitmar in seiner ursprünglichen Bedeutung beinhalten: LEID- oder NOT - Dorf am Wasser. Da die o. g. Feuchtwiesen im Vergleich mit der übrigen Dorfflur sehr klein und unbedeutend sind, ist eine negative Namensgebung seitens der Frühsiedler wenig wahrscheinlich.

Nach dem Zweiten Weltkriege wohnte der pensionierte Amtsgerichtsrat Ludwig von Canstein vorübergehend im Ort. Bei einem heimatgeschichtlichen Vortrag ging auch er auf den Sinngehalt des Ortsnamens ein. Für ihn bedeutete die Erstsilbe "Leit" soviel wie "leiten" oder "geleiten", die Zweitsilbe „Mar" soviel wie "Mähre". Der verächtliche Ausdruck für „schlechtes Pferd" bedeutete ursprünglich aber Stute (vgl. DUDEN Etymologie 1963, S. 416f).

Von altersher, so seine Argumentation, seien in Leitmar Pferde legal, gelegentlich illegal eingeführt oder durchgeführt worden, also "geleitet" und zwar aus der Exklave Volkmarsen. Ein stützender Quellenhinweis ist dazu nicht feststellbar. In diesem Vortrag wurde auch von einem "Leitmarer-Pferd" gesprochen, das später als Ausgangspunkt für Wappenelemente diente. Ludwig von Canstein erklärte also den Ursprung des Dorfnamens im Sinne von "Pferde-Leite". Nachweislich bestanden zwar Beziehungen zwischen der Exklave Volkmarsen und der Grundherrschaft Kanstein, aber historisch damit den Dorfnamen Leitmar als ein "Ein- oder Durchleiten" von Pferden abzuleiten, ist nicht überzeugend.

In den folgenden Ausführungen soll versucht werden, den Sinngehalt des Dorfnamens begreifbar zu machen. Urkundlich wird Loithar (=Leitmar) 1101 und 1121 erstmals erwähnt, war Padberger Besitz und ist im 14./15. Jahrhundert an Kanstein gekommen (vgl. RÜTHER 1956, S. 368). Um 1300 erwarb der Erzbischof von Köln den Kanstein und später auch die Gerichtsbarkeit vom Grafen vom Eberstein. Fortan belehnte Köln damit die Raben von Kanstein und später auch die Herren von Spiegel.

1513 wurde Leitmar vertraglich der Grundherrschaft Kanstein zugerechnet, die sich lange mit Waldeck darum stritt. Die Herrschaft Kanstein mit den Dörfern Borntosten, Canstein, Heddinghausen, Leitmar und Udorf existierte bis zum Jahre 1802 und wurde dann Hessen-Darmstädter Besitz.

Eine bessere Namensdeutung ermöglichen geographische Zusammenhänge. Das Dorf Leitmar liegt südlich der Stadt Marsberg, Luftlinie 6 km, in einer Talmulde, deren Hänge im Norden und Osten zum Homberg (408 m), zum Oberstädter Wald und Eichholz sanft und stufenlos ansteigen und überwiegend zum Körneranbau genutzt werden. Die Wiesen liegen am Dorfrand, säumen rechts und links den Hagebornsweg und die Kreisstraße zum Forst. Im Glindetal und am Teufelspfad dienen die Feuchtwiesen der Heugewinnung und der Beweidung. Fruchtbar sind die rottonigen Hanglagen zum Trompeter und Forst, ebenso der flache Rücken "Auf der Hünenburg1' mit dem Zechstein im Untergrund.

Dieser Quellbereich der Glinde war von jeher der günstigste zum Siedeln. Höhenzüge ringsum schützen Dorf und Feldflur gegen kalte Nord- und Ostwinde. In diesem Einzugsbereich beginnt die Glinde und der Hageborn und der Bach vom Trompeter. Ihre Wasser fließen in nördlicher Richtung der Diemei zu entlang den bewaldeten Steilhängen von Homberg, Hengesberg, Iberg, Höling, Wulsenberg, Jittenberg und Bilstein, ebenso fünf weitere Bäche mit ihrem Ursprung auf dem Waldecker Tafelland.

Es kann davon ausgegangen werden, dass die "Ursiedler" oder die "ersten Leitmarer11 vor langer Zeit in der Talmulde zwischen Homberg und Hünenburg ihre Häuser gebaut haben und eine ausreichende Lebensgrundlege fanden. Auf ihren Streifzügen erfassten sie sicherlich geographische Zusammenhänge vom Quellbereich und der Flussrichtung der Glinde.

Irgendwann könnten sie selbst ihre Siedlung Loithar = Leitmar im Sinne von "Dorf im Quellbereich der Ar oder Mar, die ihr Wasser an den Steilhängen entlang leitet", bezeichnet haben. Leitmar als Dorf an der „Hangleite" hätte so einen geographischen Ursprung.

Auch WETEKAM deutet Leihe, althoch-deutsch lethi, als eine Bergleite, d. h. als eine am Berg sich hinziehende Siedlung (1936, S.179; vgl. auch WASSERZIEHER 1952, S. 274).

 

 

DUDEN Etymologie. Herkunftswörterbuch der deutschen Sprache. Mannheim/Wien/Zürich 1963 ROTHER, Josef: Helmatgeschlchte des Landkreises Brilon. Münster 1956 WASSERZIEHER, Ernst: Woher? Ableitendes Wörterbuch der deutschen Sprache. Bonn 1952 WETEKAM, Robert: Vasbeck. Mengennghausen 1936

 

Aus „Marsberg 89" Beiträge zur Stadtkunde, Schriftleitung: Johannes Bödger, Verlag: Druckerei Joh. Schulte